„Meine Mutter ist nur 14 Jahre älter als ich“ – Interview mit Madame Anita, Lehrerin an der Secondary School

Madame Anita, Lehrerin an der Secondary School

 

Rund ein Dutzend Lehrerinnen und Lehrer arbeiten an der Academy of Maisha Mazuri Senior Secondary School und jeder hat seine eigene Geschichte. Eine von ihnen ist Madam Anita, 26 Jahre jung und seit September 2022 an der Academy. Sie hat eine bewegende Biographie, die schon damit beginnt, dass ihre Mutter im unglaublich jungen Alter von 14 Jahren mit Anita schwanger wurde. Als Hauswirtschaftslehrerin unterrichtet Madam Anita nicht nur Nähen, Sauberkeitserziehung und alles, was mit Ernährung zu tun hat, sondern sie unterrichtet und agiert auch in der hauseigenen Bäckerei, die es seit dem Herbst 2023 auf dem Schulgelände gibt.

Wir haben mit der engagierten Lehrerin ein Gespräch über ihr Leben, ihr Lehren und ihre Leidenschaften geführt.

 

Wie bist du an unsere Schule gekommen?

Ich habe online eine Ausschreibung auf einer Plattform für Lehrer gelesen und das Konzept hat mir sofort gefallen. Es hat mich an so vieles aus meiner Kindheit erinnert. Da habe ich meine Koffer gepackt und bin mit meiner kleinen Tochter los. Das war natürlich ein großer Schritt, so weit von meiner Familie weg zu gehen. Aber es war richtig. Die Academy bietet neben den theoretischen Fächern auch vielseitige Praxisfächer an, was sie einzigartig macht. Das unterrichten macht mir hier viel Freude.

 

Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?

Die Schule liegt etwas außerhalb von Nguluni, dem Ort, in dem ich mit meiner dreijährigen Tochter lebe. Ich bin alleinerziehend. Morgens werde ich von einem Shuttlebus zur Schule gebracht. Dort bin ich von acht Uhr morgens bis 17 Uhr, aber an vielen Tagen ist es 20 Uhr, bevor ich nach Hause komme. Zum Glück habe ich ein Hausmädchen, das mich unterstützt und oft auf meine Tochter aufpasst.

 

Erzähl uns von deinem Schulalltag:

In meinen Fächern sind oft alle Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse Oberstufe zusammen. Auch in der Sauberkeitslehre ist das so. Die Kinder haben Spaß beim Putzen, da ich ihnen spezielle Aufgaben gebe und versuche, aus den einzelnen Herausforderungen einen kleinen Wettbewerb zu machen. In der ersten Klasse lernen die Schülerinnen und Schüler zunächst das Nähen von Hand, dann kommt die Nähmaschine mit ins Spiel. Wir haben fünf Maschinen an der Schule. Wir als Lehrkräfte integrieren auch eine „Talent-Suche“ in den Unterricht. Das kann im Sport, beim Tanzen, Singen oder Dichten sein. Da haben die Kinder Spaß. Und dann gibt es ja noch die Bäckerei.

 

Zur Bäckerei kommen wir später. Zunächst möchten wir mehr über dich und deine Herkunft erfahren.

Ich bin das erste von vier Kindern. Meine Mutter ist nur 14 Jahre älter als ich. Da meine Mutter so jung war hat sich meine Urgroßmutter um mich gekümmert. Allerdings nur bis ins Jahr 2010, bis zur fünften Klasse. Danach hat meine Urgroßmutter dafür gesorgt, dass ich ins Heim komme, da mein Vater gewalttätig war und es zu Hause für mich gefährlich wurde.

 

Wie ist dein Verhältnis zu deiner Mutter heute?

Wir haben eine ganz besondere Beziehung, ein super Verhältnis. Meine Mutter ist ja nicht viel älter als ich. Sie wohnt mehr als 200 Kilometer von hier entfernt, Richtung Lake Victoria. Deshalb sehen wir uns leider selten, aber wenn wir uns sehen, ist es schön. Auch das Verhältnis zu meinen Geschwistern und zur ganzen Familie ist sehr gut.

Momentan ist meine Schwester Nicole hier an der Academy of Maisha Mazuri und macht ein dreimonatiges Praktikum als Sozialarbeiterin. Ich freue mich, dass das MCC ihr diese Möglichkeit gibt.

 

Was gefällt dir besonders an der Secondary School?

Die Schüler und Schülerinnen an dieser Schule sind interessierter und offener als an anderen Schulen. Ich kenne das Gefühl, wenn man Schule und Bildung als Geschenk betrachtet. Im Jahr 2019 habe ich selbst das College abgeschlossen. Meine Erfahrungen ähneln denen vieler MCC-Schüler und Schülerinnen. Es ist sehr wertvoll, dass es hier mehr gibt als nur den theoretischen Unterrichtsstoff. Man lernt viel Praktisches für das Leben. Dadurch hat man die Chance, ein selbstständiger junger Erwachsener zu werden. Unabhängigkeit ist besonders für uns Frauen von großer Bedeutung.

 

Wie hast du das bei dir persönlich erlebt?

Durch meine Schul- und Internatszeit habe ich genug Energie und Selbstbewusstsein gewonnen, um unbedingt studieren zu wollen. Nach meiner Schulzeit verkaufte ich an der Straße Brötchen und Donuts, um mir das Studium zu ermöglichen. Andernfalls hätte es finanziell nicht gereicht und ich hätte es wahrscheinlich nicht geschafft. Übrigens hat mir damals niemand beigebracht, wie man Brot backt.

 

Ist deshalb die Bäckerei ein Herzensprojekt von dir? Erzähl ein bisschen davon.

In unserer Bäckerei können die Schülerinnen und Schüler viel lernen und haben dabei auch noch großen Spaß. Jedes Schulkind verbringt pro Woche rund fünf Schulstunden in der Bäckerei. Bei uns arbeitet mit Phillip Wambua ein festangestellter Bäcker mit im Team.

Wir produzieren täglich 300 Brötchen sowie Gebäck, Kekse, Brot, Ciabatta und Donuts. Die gebackenen Waren werden frisch ins Children Center geliefert und wir versorgen uns auch selbst an der Academy mit den leckeren Backwaren. Wir werden also alle von unserem Selbstgebackenem satt.

 

Könnt ihr euch vorstellen zu expandieren und ein richtiges Geschäftsmodell daraus zu machen?

Ja, in Zukunft möchten wir neben der Selbstversorgung auch unsere lokalen Geschäfte in Nguluni mit unseren Teigwaren beliefern. Leider ist es uns aufgrund der kenianischen Gesetzeslage nicht erlaubt, unsere Produkte in Supermärkten zu verkaufen. Unsere Bäckerei hat einen vielseitigen Nutzen. Das Wissen, das die Schülerinnen und Schüler erwerben, kann ihnen sowohl bei ihrem Examen in Ernährungswissenschaft als auch in ihrem zukünftigen Leben helfen. Bei uns in Kenia kann es existenziell sein, zu wissen, aus welchen Zutaten und wie Lebensmittel hergestellt werden. Wir werden bald einen neuen, größeren Ofen bekommen. Das ist ein Traum für uns und eine tolle Werbung für unsere Schule.

 

Vielen Dank für die Einblicke, die du uns gegeben hast und alles Gute für das neue Schuljahr, das zeitnah beginnt.

 

 

 

 

 

 

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