Da sitze ich nun, 5 Wochen nach meinem ersten Bericht, und stehe vor der entscheidenden Frage: Wie packe ich das Erlebte von 5 Wochen in einen Bericht? Die letzten Wochen waren turbulent, aufregend, aber auch wahnsinnig anstrengend. Es ist eine unglaublich intensive Zeit, die ich in Maisha Mazuri erlebe, und ich bin unendlich dankbar dafür.
Ostern in Maisha Mazuri
Da war zum einen das Osterfest. In Kenia spielen die Kirche und der Glaube eine sehr große Rolle im Leben der Menschen. Das Osterfest hat jedoch keinen so großen Stellenwert wie bei uns und unsere Traditionen sind größtenteils unbekannt. Nur die älteren Kinder in Maisha Mazuri kannten von früheren Volunteers einige Aktivitäten und löcherten mich bereits Tage davor, ob da tatsächlich wieder Süßigkeiten an Ostern versteckt werden. Begonnen haben wir das Osterfest am Karfreitag, an dem wir 120 Eier rot, orange, grün und blau gefärbt haben. Die Kinder waren begeistert und nahmen ihre Aufgabe sehr ernst. Mit größter Sorgfalt wurden die Eier in der Farbe gewendet und ich bin mir sicher, wenn ich sie nicht gestoppt hätte, würden sie die Eier heute noch färben.
Am Samstag dann folgte das in Bayern bekannte “Oascheim”. Dabei werden zwei Rechen so aufgestellt, dass eine Bahn entsteht. Ein Ei wird über diese Bahn ins Gras gerollt und darauf ein kleines Geldstück, in unserem Fall ein kleiner Spielstein, gelegt. Trifft das nächste Ei eines der im Gras liegenden Eier und der Spielstein fällt herunter, gehört dieser dem Spieler, der getroffen hat. Da Rechen in Kenia nicht vorhanden waren, war eine kreative Lösung gefragt. Zum Glück konnte auf der aktuellen Baustelle in Maisha Mazuri passendes Ersatzmaterial gefunden werden.
Schnell waren die Regeln erklärt und der Spaß konnte los gehen. Doch welch ein Schreck: Einige der Eier waren noch ein bisschen roh! Schnell kochten die Kinder die Eier nochmals, wobei jedoch die Farbe wieder abging. Doch die Kinder ließen sich den Spaß nicht verderben. Außerdem waren die Eier sowieso ratzfatz aufgegessen.
Am Ostersonntag stand nach der morgendlichen Kirche das nächste Highlight an. Im Außenbereich war für jedes Kind eine schokoladig-leckere Überraschung versteckt. Ob über dem Stromkasten, im Baum oder auf dem Dach des Holzschuppens, überall hatte der Osterhase Versteckmöglichkeiten gefunden. Die Kinder kannten kein Halten mehr! Was für ein Nachmittag!
Ein neues Schuljahr beginnt
So besonders das Osterfest war, so schnell holte uns auch der Alltag wieder ein: Die großen Ferien waren zu Ende und das neue Schuljahr startete: Neue Klassen, neue Schulen und das ganze Drumherum deckten sowohl die Kinder, als auch die Mitarbeiter, mit gehörig viel Arbeit ein. Das Schulsystem ist mit dem deutschen kaum zu vergleichen und es fällt mir schwer mich damit zurecht zu finden. Die Kinder lernen bereits im Kindergarten die Buchstaben und Zahlen, lernen einfache Wörter zu lesen, Mengen abzuzählen und einfache Additionen. Trotzdem ist es so, dass viele Kinder auch in den höheren Klassen nicht lesen, schreiben oder rechnen können. Im starren keniansichen Schulsystem wird viel auswendig gelernt. Die Kinder lernen Rhythmen, Merksätze und Schemata rauf und runter zu sagen. Leider kommt hier das Verstehen viel zu kurz und gerade lernschwächere Kinder haben mit diesem System kaum eine Chance. Differenzierung zwischen den Kindern gibt es nicht. Für mich, die aus voller Überzeugung Lehrerin werden möchte, war das schwer mit anzusehen.
Mein Hauptaugenmerk lag also in den vergangenen Wochen darauf, den Kindern unter der Woche nach der Schule bei den Hausaufgaben zu helfen und am Wochenende gab ich Tutoren-Stunden.
Da sich die Kinder mindestens zu viert ein Zimmer teilen, wollte ich einen ruhigen Lernort schaffen. Gemeinsam mit den Kids gestalteten wir den großen Vorraum im Volunteers-Bereich zu einer Lern-Oase um. Ein leerstehendes Bett und ein Teppich sind jetzt unser Lesebereich. Die Kinder lieben es, sich mit neuen Büchern unter Decken zu verstecken und zu lesen. Dadurch, dass der Kindergarten in die Grundschule (etwa 10 km entfernt) umgezogen ist, konnte ich dort noch ein altes Whiteboard ergattern. Somit konnten wir den Raum wie ein Klassenzimmer einrichten. Da die Schulen in Kenia ausschließlich mit schwarzen Kreide-Tafeln ausgestattet sind, war der Lernspaß mit dem Whiteboard besonders groß.
Der Schulalltag in Kenia ist sehr anstrengend. Die Kinder ab der 3. Klasse müssen um 5.00 Uhr morgens aufstehen. Um ca. 6.00 Uhr treffen sie an der Schule ein. Dort beginnen sie teilweise alleine, teilweise mit Lehrkräften, die Unterrichtsinhalte des vergangenen Tages zu wiederholen und zu üben. Gegen 8.00 Uhr beginnt der eigentliche Unterricht mit Fächern wie Kisuaheli, Englisch, Social Studies (Erdkunde, Physik, Biologie), Mathematik, Kunst und Musik. Insgesamt haben die Kinder 14 unterschiedliche Fächer, die alle bis auf Kisuaheli in Englisch unterrichtet werden.
Kisuaheli und Englisch sind übrigens die beiden offziellen Landessprachen in Kenia. Viele Kinder sprechen jedoch ausschließlich ihre Stammessprache (man spricht von 52 Volksgruppen mit 61 Sprachvarianten in Kenia!) wenn sie in die Schule kommen. Sie müssen also die beiden Sprachen Kisuaheli und Englisch von Grund auf lernen.
Besonders hat mich auch erstaunt, mit wie wenig Material die Kinder in der Schule auskommen müssen. Die meisten der Schüler besitzen genau 1 Bleistift, manche noch 1 Spitzer und 1 Radiergummi. Ich kann mich noch gut an meine Grundschulzeit erinnern: Ein nagelneuer Schulranzen, Schultüte, eine Pausenbox und Trinkflasche, ein Federmäppchen voll mit Buntstiften, Lineal und mehreren Bleistiften. Und was wäre es für ein Drama gewesen neben dem dunkelblauen Stift nicht auch noch die “Himmelblau” im Mäppchen zu haben! In welchem Luxus wir doch leben!
An dieser Stelle auch nochmal danke an meine vielen Freunde und Bekannten aus Edling, die so viele tolle Spenden bei meinen Eltern abgegeben haben. Meine Freundin Antonia hat mich in der Zwischenzeit besucht und alles mitgebracht. Wir haben gemeinsam alles an die Stellen und Kinder verteilt, wo es am dringendsten gebraucht wird. Asante Sana!
Die Schule endet erst gegen 17.30 Uhr. Die Schüler kommen nach Hause, müssen duschen, essen und … dann Hausaufgaben machen! Es sind lange und anstrengende Tage und gegen 21.00 Uhr fallen nicht nur die Kinder, sondern auch ich, totmüde ins Bett!
Eure Vroni Berndl
PS: Falls ihr mehr über das Hand-in-Hand-für-Kenia-Projekt wissen wollt oder Videos und Bilder über das tägliche Leben meiner Volunteers-Zeit sehen möchtet, schaut doch mal bei Instagram handinhand4kenya vorbei.